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Es war eigentlich nichts

2023
Diakonissenbunker Stuttgart
(Einzelausstellung)

Performance, Audio, Glasarbeiten

Der Bunker ist ein absurder Ort. So wie die Kunst. Und die Welt. Die Ausstellung Es war eigentlich nichts fand im April 2023 im Diakonissenbunker Stuttgart statt. Das Gesamtwerk bestand aus einer Performance, einer Audioarbeit und fünf Glasarbeiten, die in einem von drei Flügeln des Bunkers gezeigt wurden, der als Rettungsstelle für Luftangriffsgeschädigte während des Zweiten Weltkriegs diente.

Die Performance trug den Titel Abgelaufen. Während ich entlang der sogenannten effizienten Wegeführung von 1942 durch den Sanitätstrakt lief – ich startete am Eingang, an dem Ort, an dem sich 70 Jahre zuvor Menschen tottrampelten, um versorgt zu werden und um für einen Moment Schutz zu bekommen, durch die Schleuse, den Raum zum Entkleiden, die Duschen, den Raum zum Einkleiden mit Behandlungskleidung, ins Behandlungszimmer und zum Ausgang – blies ich Seifenblasen in die Luft, für die ich vorab Pustefix mit Lampenruß schwarz gefärbt hatte. Den Weg, den verletzte Frauen nahmen, um ärztlich versorgt zu werden, während rund um den Platz Brandbomben fielen, und im Wissen, nach der Behandlung wieder nach oben zu müssen, ging ich eine zweite Runde. Wer wusste schon, wann die nächste Verletzung anstand? Ich ging barfuß und spürte, wie die Kälte des Raumes in mich hineinkroch. Langsam lief ich und blies die schwarz schillernden Seifenblasen in die Luft, die zu Boden schwebten und zerplatzten, Spuren hinterlassend.

In einem Raum, der damals als Station für Frauen und Kinder diente, die so schwer verletzt waren, dass sie nicht direkt wieder entlassen werden konnten, installierte ich im Dunklen die Audioarbeit Maikäfer flieg. Das alte Kinderlied aus Kriegszeiten wurde von zwei Mädchen (acht und zehn Jahre alt) gesungen. Die Aufnahme machte ich mit den beiden genau in diesem Raum, um den Sound der Umgebung einzufangen, der den dunklen Hintergrund für die zarten (und dennoch geisterhaft wirkenden) Kinderstimmen bildete.

Entlang meines Laufweges platzierte ich fünf Glasarbeiten, die in Beziehung zum Raum entstanden waren. Ihre Titel lauten: Das Rauschen von Asche, Es fehlt ja nicht an leerem Raum, Ihr Torso glüht noch immer, Solitär, Das Schreckliche ist gedacht zu haben. Schwarze keramische Schmelzfarbe schüttete ich auf sehr unterschiedliche Glasscheiben – unterschiedlich im Format, der Glasfarbe und ihrer Haptik –, ließ sie trocknen und brannte sie. Glas ist ein Material, das in einem Bunker eigentlich nicht vorkommt. Die matten schwarzen Flecken setzen sich deutlich von den verschiedenen transparenten Oberflächen ab.

Die Möglichkeit, eine Einzelausstellung für den Diakonissenbunker Stuttgart zu entwickeln, der seit einiger Zeit unter dem Namen Kulturbunker (Kultdiak Stuttgart e. V.) als Veranstaltungsort für Konzerte und Kunst genutzt wird, hatte sich für mich im Oktober 2022 ergeben. Einige Monate zuvor war Russland in die Ukraine eingefallen. Ein Schock. Obwohl weit weg im sicheren Deutschland, lähmte mich der Umstand, dass es wieder um Fragen ging, die doch seit mehr als 70 Jahren nicht mehr interessieren sollten. Und nun der Umstand, dass ich in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg ausstellen „durfte“. Für mich war es eine absurde Situation, den Ort als Ausstellungsraum zu nutzen, der gleichzeitig Erinnerungsort war und trotz seiner Nutzung als Kulturstätte meinem Empfinden nach weiter sein sollte. Weil diese Erinnerungen leider nicht mehr nur Erinnerungen sind, sondern jetzt in Europa wieder Bomben fallen und Menschen Zuflucht in Bunkern suchen. Mir ging es in der Ausstellung um das Zeigen dieser gefühlten Absurdität (schwarze Schlieren in den Seifenblasen, das Kinderkriegslied Maikäfer flieg, das Material Glas im Bunker) und um das Zeigen und Hinterlassen von Spuren (schwarze zerplatzte Seifenblasen am Boden und in meinem Gesicht, auf meinen Händen und Füßen, das in der Düsternis des Raumes zu hörende Lied, dessen Sound und die mit den Sinneseindrücken verknüpften Assoziationen sich in den Körper hineingraben, mein Schütten, das schwarze Flecken auf den Gläsern hinterließ). Mir war wichtig, dass der Betrachtende den Weg durch den Bunker entlang der effizienten Wegeführung mitgeht. Durch meine Performance im Gehen hatte das den Charakter einer Prozession. Die geordnete Stille wurde nur durch das Maikäfer flieg-Lied durchdrungen, das alle drei Minuten erklang, und das die Besucher*innen je nach Standpunkt im Bunker lauter oder leiser hörten.

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